Barrierefreiheit ist für die 1,2 Millionen blinde und sehbehinderte Deutsche ein wichtiges Thema.
Als sehender Mensch stelle ich mir das nahezu unmöglich vor, ohne zu sehen im Internet zu surfen oder mit Software zu arbeiten. Wie auch?! Die Oberflächen sind doch visuell angeordnet! Umso überraschender ist es, wenn Sie bedenken, dass die Technik und das Internet das Blind-Sein revolutioniert hat.
Früher waren Sehbehinderte auf andere Menschen stark angewiesen. Wollten sie ein Buch lesen oder gar etwas studieren, brauchten sie jemand, der vorgelesen hat. Mit der heutigen Technik sind blinde Menschen unabhängiger denn je. Mithilfe assistierender Techniken können sehbehinderte und blinde Deutsche den Tagesspiegel online lesen und am Computer Doktorarbeiten schreiben, ganz ohne Unterstützung anderer.
Wie blinde Menschen Webseiten bedienen
Sehschwache Menschen bedienen Computer anders als sehende. Kann ein Nutzer mit viel Mühe Umrisse erkennen, verändern Sie häufig einfach die Darstellung der Seite auf ihrem Monitor, um besser sehen zu können. Das passiert mit Software- oder Hardware-Lupen, aber auch mit Kontrast- und Farbveränderungen.
Vollständig blinde Menschen nutzen anstatt einer Lupe einen Screenreader. Der Screenreader ist eine Software, die eine synthetische Stimme einsetzt, um die Inhalte der Seite vorzulesen während der Nutzer mit dem Tabulator und andere Tastenkombinationen durch die Seite manövriert. Die Seite wird mit einer herkömmlichen Tastatur bedient. Eine Maus wird verständlicherweise nicht genutzt.
Barrierefrei heißt kompatibel für assistierende Techniken
Viele Websites sind nicht kompatibel mit Lupen und Farbveränderungen. Manchmal überlappen sich Wörter oder die Textfarbe ist fest einprogrammiert. Somit kann der Nutzer nicht mehr die Textfarbe gelb und den Hintergrund schwarz machen, um besseren Kontrast zu erreichen.
Beim Screenreader treten häufig Probleme aufgrund unsauberen Codes auf. Was keinen Einfluss auf die visuelle Darstellung einer Seite hat, kann trotzdem erhebliche Probleme beim Screenreader verursachen. Die Vermeidung solcher Probleme wird in der Web Content Accessibility Guidelines 2.0 dokumentiert, in der Sie Richtlinien zur barrierefreien Gestaltung von Webseiten finden. Auch zahlreiche Tools existieren, die die Barrierefreiheit Ihrer Webseite automatisch prüfen können, unter anderem diese, diese und diese.
Barrierefreiheit vs. Usability
Bei barrierefreien Webseiten wird irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass sie auch für behinderten Nutzer benutzerfreundlich sind. Das ist leider nicht der Fall. Allein das Wort „barrierefrei“ deutet lediglich auf das Fehlen von Hindernissen und nicht auf die Anwesenheit eines positiven Nutzererlebnisses hin.
Um die barrierefreie Gebrauchstauglichkeit Ihrer Seite zur gewährleisten, stellen Sie sich die Inhalte Ihrer Webseite linear vor. Alle Inhalte, inklusive Werbung, Überschriften und Content sind alle in einer Reihe aufgeführt. Welche Reihenfolge würden Sie wählen? Welche Elemente würden Sie gruppieren?
Und um Sie wirklich zum Denken zu bringen, ist Ihre Webseite wirklich die beste Lösung für Sehbehinderte? Können Sie sich eine Alternative vorstellen, die eine zielführende akustische Interaktion ermöglicht? Falls Sie einen Denkanstoß benötigen, hier ist ein interessantes Video dazu:
Fazit
Wenn sehbehinderte Menschen zu Ihrer Zielgruppe gehören, sorgen Sie für eine barrierefreie Webseite. Gehen Sie über die Barrierefreiheit hinaus, um eine benutzerfreundliche Webseite für sehbehinderte Menschen zu entwickeln.
Übertragen Sie Designprinzipen und Gestaltgesetze auf nicht-visuelle Interaktionen. Fragen Sie Sehbehinderte nach ihrer Meinung und machen Sie User Tests mit Sehbehinderten! Und seien Sie dabei Kreativ! Denken Sie daran, dass Sie im hohen Alter der Sehschwache von morgen sein könnten!