Wie nondirektive Gesprächsführung im User Experience (UX) Engineering hilft.
Das Gespräch ist festgefahren. Alle reden aneinander vorbei, da niemand dem anderen zuhört. Die Diskussion dreht sich im Kreis und eine Lösung scheint fern. Kennen Sie das? Kennen Sie auch einen Weg derartige Situationen zu entspannen und den Knoten zu lösen?
In unserer Serie über Kommunikation für UX-Design ging es bisher darum, dass das „Wie“ den entscheidenden Unterschied macht. Eine Methode, Inhalte erfolgreich zu verpacken, stellt das bereits beschriebene Storytelling dar. Heute wollen wir Sie mit einer weiteren Methode vertraut machen: Die nondirektive Gesprächsführung.
User Experience Engineering mit Feingefühl
Sicherlich kennen Sie die Situation: Sie wollen jemanden einen gut gemeinten Ratschlag erteilen. Doch anstatt, dass dieser angenommen wird, stößt er auf taube Ohren.
Nehmen wir an, dass der Nutzen einer Flash-Animation, in die viel Mühe und Zeit gesteckt wurde, hinterfragt wird. Logisch betrachtet mag diese Kritik vielleicht ankommen. Aber auf der psychologischen Ebene tritt ein Prozess in Kraft, der als Reaktanzverhalten bekannt ist: Die Flash-Animation wird um jeden Preis verteidigt.
Wie solche Situationen gelöst werden können? Verzichten Sie auf Ratschläge, Urteile und Bewertungen! Sagen Sie nicht, was falsch gemacht wurde. Stellen Sie ihm stattdessen Fragen. Versuchen Sie ihrem Gegenüber mit positiver Wertschätzung zu begegnen. Leisten Sie ihm Hilfe, das Problem selbst zu erkennen. Am Ende wird er sogar annehmen, ganz von selbst auf das Problem gekommen zu sein.
Die nondirektive Gesprächsführung im UX Design
Die nondirektive Gesprächsführung wurde zwischen 1938 und 1950 vom Psychotherapeuten Carl R. Rogers entwickelt. Bei ihr steht, wie im User Experience Design auch, der Klient im Fokus. Durch geschickte Fragen erreicht diese Methode Wunder: Sie ist eine Hilfe zur Selbsthilfe!
Ein weitverbreitetes Missverständnis ist es, nicht-direktiv mit passiv gleichzusetzen. Doch gerade das personenzentrierte Fragen erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit seinem Gegenüber.
Gesprächstechniken für eine erfolgreiche UX Konzeption
Steht wieder ein IT-Projekt an, ist es zunächst wichtig, die Vorstellungen der Initiatoren genau zu verstehen. Aktives Zuhören ist hier unabdingbar. Preschen Sie nicht gleich mit Ideen möglicher Lösungswege vor. Stellen Sie zunächst offene Fragen, mithilfe derer Sie den wahren Kern des Problems in Erfahrung bringen können.
Meinen die Auftraggeber mit User-Tests wirklich belastbare Usability-Tests oder schlichte Produktpräsentationen? Wehrt sich der Produktmanager bloß gegen A/B-Tests, da er befürchtet seine Deadline nicht mehr einhalten zu können? Lesen Sie zwischen den Zeilen und Sie bekommen eine Antwort!
Ein weiteres Mittel ist das Paraphrasieren. Beim Paraphrasieren wird in eigenen Worten das Gesagte des Gesprächspartners wiedergegeben. Damit wird abgesichert, dass die Ausführungen richtig verstanden wurden. So können Missverständnisse umgehend korrigiert werden. Diese Technik erfordert eine gewisse Übung, da sie bei mangelnder Erfahrung eher Distanz auslösen kann.
Wichtig ist es hier keine „Du“-Aussagen zu formulieren. Sagen Sie nicht: „Du meinst also, dass ein Usability-Test bei diesem Projekt unnötig ist“, sondern: „Ich höre heraus, dass Dir ein Usability-Test bei diesem Projekt unwichtig erscheint?“
An solchen Punkten kann man durch W-Fragen das Gespräch auf das Problem fokussieren. Was? Wer? Wo? Wann? Wie? Oder in unserem Beispiel vor allem: Warum?
Spieglein, Spieglein… vor dem User Interface
Manchmal hilft es auch, statt bloß das Gesagte wiederzugeben auf die Metaebene zu gehen. Das erreichen Sie beispielsweise mit der Technik des Spiegelns. Es kann alles gespiegelt werden, was im Gesprächsverlauf verstanden und beobachtet wird. Ziel des Vorgehens ist es, eine Art Plattform für die Selbstreflexion des Gegenübers zu sein. Der Umgang mit dieser Technik erfordert Feingefühl, Empathie und Respekt. Aber mit etwas Übung bewirkt sie schnell Einsicht. Und das in beide Richtungen.
Für unser obiges Beispiel könnte die Frage lauten. „Habe ich das richtig verstanden, dass Usability-Tests Ihrer Meinung nach den Aufwand und die Kosten nicht rechtfertigen?“
Ihr Gegenüber fühlt sich nun verstanden oder wird Ihren Eindruck korrigieren. Auf jeden Fall sind Sie dem Problem der Diskussion einen enormen Schritt näher gekommen. Gehen Sie den Weg weiter und fragen Sie weitere W-Fragen. Etwa: „Welche alternative Methode schlagen Sie vor, um belastbare Daten zur Bewertung der Usability der neuen Website zu erlangen?“ An diesem Punkt angekommen kann konstruktiv an Lösungswegen gearbeitet werden.
Nondirektive Gesprächsführung in der Praxis
Was können wir also für die Zukunft mitnehmen? Das es besser ist, erst einmal den einzelnen Parteien zuzuhören, bevor man mit Lösungen nach vorne prescht? Das die richtigen Fragen einem selber Helfen, das Problem genauer zu umreißen? Das sich durch wertfreie Fragen mein Gegenüber nicht in die Defensive gedrängt fühlt?
Probieren Sie die nondirektive Gesprächsführung einfach mal in Ihrem User Experience Engineering aus! Mit ein wenig Übung werden Sie den Mehrwert erkennen. Und wenn Sie dann wieder in eine Diskussion geraten, die sich im Kreis dreht, wissen Sie, was zu tun ist.
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