Wie Sie mit implizitem Konsens unserer Zukunft ihre Geheimnisse entlocken und richtig entscheiden.
Die Welt ist voller Ideen. Wofür sie gut sind, hängt vom Kontext ab. So haben z. B.
- Unternehmenslenker Ideen zu Unternehmenszielen und Strategien,
- Produktmanager und Entwickler Ideen zu User Interface Designs, Anforderungen und Funktionen oder
- StartUps Ideen zu neuen Produkten oder Produktnamen.
Die Beispiele verdeutlichen, dass Ideen vielfältig und differenziert sind. Die Herausforderungen, die mit Ideen einhergehen, sind jedoch genereller Natur. Denn Sie fragen sich bei jeder Idee: Ist sie gut oder schlecht? Soll sie umgesetzt werden oder lieber nicht? Welche Idee ist die beste Antwort auf ein Problem bzw. eine Fragestellung? Für welche Idee entscheide ich mich?
Konsens als Qualitätskriterium
Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat mit seinem Forschungskollegen Amos Tversky ein verblüffend einfaches Vorgehen gefunden, um sich für oder gegen die Weiterverfolgung einer Idee zu entscheiden.
Im Rahmen ihrer gemeinsamen Arbeit haben sie jeweils zusammen eine Forschungsfrage formuliert, die beide unabhängig voneinander beantworten mussten. Danach haben sie ihre Ergebnisse verglichen. Aus ihren nachfolgenden Versuchen lernten sie, dass die erfolgreichen Ideen für ihre Entscheidungsmodelle auf zuvor identischen Antworten beruhten.
Formen von Konsens
Diese Form der übereinstimmenden Antworten möchte ich als impliziten Konsens bezeichnen. Er zeichnet sich dadurch aus, dass die Generierung von Ideen unabhängig voneinander, also ohne vorherigen Austausch, erfolgt. Zusätzlich existiert mit der Anforderung der Ideenübereinstimmung ein hartes Bewertungskriterium für den Konsens.
Ideen, die zum impliziten Konsens passen, verbreiten sich wie ein Lauffeuer oder entstehen unabhängig voneinander in verschiedenen Köpfen. Auf abstrakter Ebene sind dies Wörter für bekannte, aber unbenannte Phänomene oder Produkte, die ein bekanntes Problem lösen. Konkrete Beispiele für derartige Ideen sind die Infinitesimalrechnung, die Leibnitz und Newton unabhängig von einander entwickelten, oder die Nudelherstellung, mit ihren ortunsabhängigen Erfindern. Sogar das Ohr wurde von der Natur wohl mehrfach erfunden.
Dem impliziten Konsens steht der explizite Konsens gegenüber. Expliziter Konsens entsteht während der Diskussion von Problemen und deren Lösung. Hier entstehen mögliche Antworten während der Interaktion der Beteiligten. Damit ergeben sich die Ideen verstärkt aus dem Gedankenaustausch.
Die damit einhergehende Vermischung von Brainstorming und Bewertung führt zu all den bekannten Problemen, die mit der Bewertung von Ideen einhergehen.
Kritik am Konsens
Diese Probleme werden gern von Kritikern ins Feld geführt. Ihre wichtigsten Kritikpunkte sollen nachfolgend genauer beleuchtet werden.
Kreativität und Konsens
„Kreativität blüht nur in konsensfreien Räumen“, sagte Burkhard Keimburg so schön. Was er damit meint ist, dass jeder seine Ideen ohne Angst äußern können muss.
Entstehen die Ideen wie beim expliziten Konsens während der Diskussion, sind spontane verbale oder nonverbale Bewertungen nicht auszuschließen. Diese beeinflussen wiederum den Gruppenkonsens, wie die Theorie der Schweigespirale von Elisabeth Noelle-Neumann am drastischsten auf den Punkt bringt.
Nach Elisabeth Noelle-Neumann schätzen Menschen ab, ob ihre Gedanken zum allgemeinen Meinungsklima passen. Stehen diese im Widerspruch, entstehen Hemmungen, die eigenen Gedanken zu äußern. Das wiederum bestärkt die Fürsprecher, da sie keine anderen Sichtweisen erfahren. Mit dem Aufwind der Fürsprecher wächst die Zurückhaltung der anders Denkenden. Diesen Effekt bezeichnet sie als Schweigespirale.
Beim idealen impliziten Konsens ist keine Schweigespirale möglich, da noch keiner weiß, welche Antworten von der Gruppe bevorzugt werden. Auch ein richtig durchgeführtes Brainstorming beugt der Schweigespirale vor, da die Bewertung mit Absicht von der Phase der Ideengenerierung entkoppelt wird.
Betriebsblindheit und Konsens
Neben der Schweigespirale sprechen auch kognitive Bias bzw. Denkfehler gegen expliziten Konsens. Darunter versteht die Kognitionspsychologie alle systematisch fehlerhaften Neigungen der Menschen beim Wahrnehmen, Erinnern, Denken und Urteilen auf Basis kognitiver Heuristiken.
Beispiele für kognitive Bias sind
- der Halo-Effekt, nach dem beispielsweise die Argumente von sympathischen Menschen mehr zählen als die der unsympathischen,
- der Bestätigungsfehler, der die Neigung von Menschen beschreibt, Informationen so auszusuchen, auszuwählen und zu interpretieren, dass sie die eigenen Erwartungen bestätigen und
- die Repräsentationsheuristik, nach der die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses aufgrund von plausibel erscheinenden Einzelmerkmalen bewertet wird.
Die hieraus resultierenden Effekte werden in der Praxis gern als Betriebsblindheit bezeichnet.
Erzwungener Konsens und Veto
Die erzwungene Konsensbildung, wie sie beispielsweise beim verbesserten Planning Game vorkommt, bezeichnen Kritiker gern als Selbsttäuschung. Hier wird solange abgestimmt, bis alle derselben Meinung sind.
Stillschweigend wird dabei davon ausgegangen, dass diejenigen mit anderer Meinung durch inhaltliche Argumente überzeugt wurden. Soziale Effekte wie der Gruppendruck durch den angestrebten expliziten Konsens werden dabei geflissentlich ignoriert.
Vielleicht denken Sie jetzt, „das ist noch der beste Fall“. Es gibt nämlich auch Menschen, die ihr Veto trotz „Gruppendrucks“ aufrecht erhalten. Haben sich die Beteiligten nun auf 100% Konsens verpflichtet, begünstigt dieses Veto den Status Quo. Fortschritt wird verhindert.
100% Konsens ist antidemokratisch
Vor diesem Hintergrund ist das Veto ein sehr mächtiges Instrument. Einzelne können Bedingungen suggerieren oder gar diktieren. Diese Art von fortschrittshinderlichem Konsens ist antidemokratisch.
Impliziter, demokratischer Konsens im Alltag
Aus diesem Grund kann das Bewertungsziel beim impliziten Konsens auch nicht 100%ige Übereinstimmung heißen. Die Bewertungskriterien sind vielmehr eine hohe Priorität bei möglichst wenig abweichenden Meinungen.
In der Praxis ist impliziter Konsens nicht nur aus demokratischer Sicht anstrebenswert. Genießt eine Idee bei vielen Menschen einen ähnlich hohen Stellenwert, sind diese dafür offen. Die Idee kann sich schneller durchsetzen.
Dem gegenüber benötigen Unternehmensziele, -strategien, Produkte, Anforderungen oder Produktnamen, zu denen Dissens herrscht, mehr Anstrengung, um die Betroffenen zu überzeugen. Ist der implizite Dissens gar zu groß, hat die Idee keine Chance auf Erfolg. Daher sind bessere Ideen gefragt. Und gute Instrumente, diese vorab zu erkennen.
Ist die Zeit reif für Ihre Innovation?
Bei fehlendem Konsens mögen Sie denken: „Mit unseren Dienstleistungen oder Produkten haben wir einen Ideenvorsprung. Den müssen wir unseren Kunden doch nur erklären.“
Hinter derartigen Argumenten steht für gewöhnlich eine Vision. Doch so, wie Rom nicht an einem Tag erbaut wurde, werden auch Sie Ihre Vision nicht in einem Schritt realisieren.
Durch impliziten Konsens lernen Sie jeweils den Schritt kennen, für den die Menschen reif sind. Machen Sie nur einen Schritt nach dem anderen in Richtung Ihrer Vision. Akzeptanz fördert Ihren Umsatz, das Verständnis der Betroffenen für Ihr Ziel sowie ihre Zufriedenheit.
Sammeln Sie dazu einfach verschiedene Ideen zu einem Thema und lassen Sie diese durch diejenigen priorisieren, die von ihnen betroffen sind. Der implizite Konsens ist Ihr bewährter Ratgeber.
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